Sunday 22 July 2012

Mexikos rätselhafter Wahlsieger

Datum 02.07.2012 - 12:41 Uhr
Enrique Peña Nieto nach der Wahl am 1. Juli in Mexiko-Stadt
Enrique Peña Nieto nach der Wahl am 1. Juli in Mexiko-Stadt
© Tomas Bravo/Reuters

Enrique Peña Nieto ist ein Meister der Selbstinszenierung. Der neue Präsident gibt sich als Macher. Doch sein Programm ist vage, seine Vergangenheit dunkel.


Er ist Mexikos unumstrittener Meister des Polit-Marketing: jung, gut aussehend, erfolgreich. Enrique Peña Nieto ist das neue Gesicht der alten, ehemaligen Staatspartei PRI, die nach zwölf Jahren in der Opposition wieder an die Macht zurückkehrt.

Nichts überlässt der 45-jährige künftige Präsident von Mexiko dem Zufall. Das gilt für die dezent-modische Kleidung ebenso wie für die mediengerechte Inszenierung seiner Ehe mit einer Schauspielerin. Seine Gesten sind einstudiert, die geschliffenen Wahlkampfreden seiner Berater hat er auswendig gelernt. Auf jede Frage weiß der ebenso fleißige wie ehrgeizige Politiker eine Antwort, und sei es nur eine wolkenreiche Sprechblase. Weder landesweite Studentenproteste konnten ihm etwas anhaben, noch diverse Frauengeschichten.

Doch aller Selbstinszenierung zum Trotz ist Peña Nieto den meisten Mexikanern ein Rätsel geblieben. Sein Programm ist vage, seine Versprechen eine Mixtur aus liberalen, konservativen und sozialdemokratischen Ideen. Er gibt sich gerne als Macher und unterschreibt bei seinen Wahlkampfauftritten öffentlich Versprechen vor dem Notar. Das Image, das mit Hilfe der großzügigen PR-Etats der beiden dominanten Fernsehsender des Landes geschaffen wurde, verdeckt den wahren Peña Nieto.

Der kam etwa zu Vorschein, als ein ausländischer TV-Journalist ihn zum plötzlichen Tod seiner ersten Ehefrau befragte, und Peña Nieto darauf so klinisch-kühl antwortete, als sei er Gerichtsmediziner.


Das Leben, eine fortwährende Kampagne

Oder als er während eines Auftritts auf der Buchmesse kein einziges literarisches Werk nennen konnte, was die Medien entsprechend ausschlachteten. Oder als ihn kritische Studenten nach den Menschenrechtsverletzungen und der Straffreiheit während seiner Periode als Gouverneur des Bundesstaates Mexiko befragten, und er ungehalten entgegnete, er habe das Gesetz auf seiner Seite gehabt und die Ordnung wiederhergestellt.

Brüche und Fehler sollen möglichst nicht vorkommen in seinem Leben, das anmutet wie eine fortwährende Kampagne. 1966 in Atlacomulco als ältester von vier Geschwistern geboren, entstammt er einer einflussreichen Politikerdynastie. Zwei Verwandte waren vor ihm Gouverneur. Schon von klein auf wurde er auf eine politische Karriere vorbereitet; in der Schule schwang er schon Wahlkampfreden und verteilte Propaganda der PRI, der Partei der Institutionalisierten Revolution.

US-Botschaft: ein skrupelloser Politiker

Er studierte Jura an der Universität des konservativen Opus-Dei-Ordens, anschließend arbeitete er in verschiedenen Schlüsselpositionen der Landesregierung des Bundesstaates Mexiko. Dort wurde der damalige Gouverneur, Arturo Montiel, auf Peña aufmerksam und zog ihn zu seinem Nachfolger heran. Der Plan ging auf: Peña siegte und regierte den Bundesstaat zwischen 2005 und 2011. In dieser Zeit stellte er alle Korruptionsprozesse gegen seinen Vorgänger ein. In Peña Nietos Regierungszeit fallen diverse Justizskandale und Menschenrechtsverletzungen, seine Polizeitruppe gilt als eine der korruptesten des Landes.

Seine Mitarbeiter loben Peña Nieto als guten Zuhörer und effizienten Manager, jemand mit klaren Ideen und Führungsqualitäten. Seine Gegner sehen in ihm eine Marionette der korrupten Partei-Dinosaurier, die seine Ziehväter sind. Unter ihnen: Ex-Präsident Carlos Salinas de Gortari und der Spielhöllenbesitzer und Exbürgermeister von Tijuana, Jorge Hank, der wegen seiner Kontakte zur Unterwelt immer wieder in die Schlagzeilen geriet. Die US-Botschaft indes bezeichnete Peña Nieto in vertraulichen Berichten als skrupellosen Politiker, der im alten Stile der PRI die Medien schmiert und sich Wählerstimmen mit Geschenken erkauft.

Im alten Stil der PRI wird der Wahlsieger wohl dennoch nicht regieren können. "Mexiko ist ein sehr viel pluralistischeres Land als vor zwölf Jahren mit einer kritischen Presse, einer aktiven Zivilgesellschaft und einer starken Opposition", sagt der Historiker Enrique Krauze. "Eine Rückkehr zum autoritären Führungsstil von früher ist unwahrscheinlich."

Source: Die Zeit

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